Irgendwie läuft alles ein bisschen komisch an diesem Morgen.
Kein Frühstück in Gesellschaft meiner gefiederten Freunde (zu früh für den Koch?), dafür ein seltsam schmeckendes Irgendwas im Dorf.
Der Bus fährt nicht pünktlich um acht los, sondern wird für eine geschlagene Stunde in den Schatten gestellt.
Das Taxi, das mich nach Dumre fahren soll, stoppt vor einer gigantischen Baustelle, die ein baldiges Durchkommen verunmöglicht. Dafür zu Fuss über Stock und Stein und Bauschutt bis zu einem weiteren Taxi, das auf der anderen Seite wartet.
Kein Restaurant bei der Haltestelle, dafür eine nette alte Dame in einem winzigen Shop, der ich etwas abkaufe, damit ich mich an den Tisch setzen darf (das etwas entpuppt sich allerdings nicht als Chips sondern als Fertignudeln). Sie serviert mir ausserdem einen Black Coffee, so stark und so süss, der auch den biblischen Lazarus ohne die Hilfe von Jesus zum Leben erweckt hätte.
Und vor allem – kein Bus, der mich irgendwann zwischen neun und zehn abholen sollte.
Ich warte also, und warte, und warte … Andere Touristen, deren Bus erheblich später als meiner terminiert ist, kommt pünktlich an und fährt weiter. Aber wo ist meiner?
Beobachtungen beim Warten
Viele Menschen versäumen das kleine Glück, während sie auf das Große vergebens warten (Pearl S. Buck).
So kommt es mir vor. Ich bin also wieder mal auf der Suche nach dem kleinen Glück. Vielleicht ist es die Familie der Ladenbesitzerin, ein zusammengewürfeltes Patchwork aus Kindern, Jugendlichen, Grosseltern (?), Onkeln und Tanten (?) und allerhand Freunden der Familie.
Man trinkt Kaffee oder Tee oder was auch immer die Nepalesen vormittags trinken, man schwatzt und lacht, putzt die Zähne, spielt mit dem Hund (der mir ein bisschen leid tut) und begutachtet die Küken eines Verkäufers, der diese zusammengepfercht in einem Korb auf dem Kopf trägt (die Küken tun mir noch viel mehr leid).
Man hat mich vergessen
Es gibt tausend Sprichwörter und Kalendereinträge zum Thema warten, allerdings keines, das mir an diesem Vormittag die Wartezeit erträglich machen kann. Auf der anderen Strassenseite entleert ein gelber Schulbus seine uniformierten Insassen auf die Strasse, während andere bereits wieder auf dem Nachhauseweg zu sein scheinen.
Und ich warte.
Doch dann, es ist mittlerweile 10.10 geworden, höre ich eine Stimme. „Chitwan?“, ruft sie. Und tatsächlich, ein junger Bursche eilt mir entgegen, wiederholt seine Frage. Ich nicke und werde bereits in den Local Bus verfrachtet, der mit röhrendem Motor abfährt.
Etwas konsterniert, erkundige ich mich, was los ist. Offenbar hat man vergesssen, an meiner Haltestelle zu stoppen und hat mich schlicht vergessen. Und ich selbst habe den Bus übersehen, was angesichts des dichten Verkehrs eine lässliche Sünde ist. Erst im Zentrum von Dumre ist aufgefallen, dass da jemand fehlt, hat den Busbegleiter kurzerhand zurückgeschickt, um das verlorene Schaf zu suchen.
Eine geruhsame Fahrt in den Süden
Der Bus ist voll, für einmal ausschliesslich von Touristen besetzt. Man wirft mir zwar beim Einsteigen ein paar seltsame (mitleidige?) Blicke zu, doch dann ist das Thema abgehakt.
Es ist eine geruhsame Fahrt, anfänglich dem Prithvi-Highway entlang, bis der Bus ungefähr auf halbem Weg nach Kathmandu bei der Muging Bridge in Richtung Süden abzweigt. Die Route führt nun einem Fluss, der eine tiefe Schlucht gegraben hat, entlang nach Süden.
Es sind zahlreiche Querrillen in den Strassenbelag gefräst worden, vermutlich um den Verkehrsfluss zu beruhigen. Ob es wirkt, ist fraglich, aber für die Insassen des Busses ist es alles andere als eine Beruhigung, sie werden alle paar Minuten mit einer Art Schüttelfrost beglückt.
Die asiatische Dame neben mir fällt in tiefen Schlaf, ihr Kopf sinkt auf meine Schulter, und als Gentleman wage ich mich selbstverständlich nicht mehr zu bewegen.
Die Hitze
Dass der Chitwan-Distrikt im Süden Nepals liegt und damit bereits zur nordindischen Ebene gehört, ist zwar bekannt, aber die Auswirkungen davon eher nicht. Denn beim kurzen Stopp nach der Durchquerung der Berge schlägt die Hitze wie ein Dampfhammer zu.
Einerseits eine willkommene Abwechslung zu den frostigen Temperaturen im Himalaya, andererseits aber auch eine Herausforderung. Denn es wird richtig heftig. Und so wird es auch die nächsten Tage bleiben.
Sauraha
Wir durchqueren nun eine weite Ebene, die Wiesen, die Häuser, die Strassen sehen versengt aus, als wäre jemand mit einem Flammenwerfer darüber gefahren. Dann eine grosse Stadt, Bharatpur, sie scheint endlos zu sein, dann eine weitere, Ratnagar. Ich erkenne die Ähnlichkeiten zu den Städten in Nordindien, alles gleicht sich, auch die Menschen auf den Strassen, die Tiere, die Vehikel. Ich komme mir fast ein bisschen vor wie zuhause.
Das Tagesziel Sauraha, am Rand des Chitwan-Nationalparks gelegen, ist gottlob klein und übersichtlich. Der Bus hält etwas ausserhalb des Dorfzentrums, ein TukTuk bringt mich zu meinem Hotel, dem Rhinoceros Homestay.
Das Zimmer ist okay, ein riesiger Fan an der Decke wird mir hoffentlich die notwendige Kühlung verschaffen, denn es ist heiss wie in der tiefsten Hölle.
Und auch der Hotelmanager ist äusserst nett und zuvorkommend, auch kein Wunder, denn er betreibt ausserdem ein Touristen-Office. Es bietet, ebenfalls keine Überraschung, auch Jeep-Touren in den Nationalpark an. Auf jeden Fall habe ich bereits nach einer halben Stunde eine solche für den nächsten Tag organisiert.
Die ersten Elefanten
Man sollte bei dieser Hitze eigentlich irgendwo im Schatten ein kühles Bier trinken und auf die Abkühlung am Abend warten. Was auch die meisten Leute tun, denn die Strassen sind verwaist, die Restaurants leer, nur ich und ein Elefant werfen uns einen kurzen Blick zu beim Begegnen.
Gewitter und Stromausfall
Zur allgemeinen Freude aller vermag gegen Abend ein heftiges Gewitter die Hitze etwas zu lindern. Was allerdings dazu führt, dass der Strom ausfällt (ein Phänomen, das nicht nur bei Gewittern auftritt, sondern sozusagen täglich, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen).
Nach dem Nachtessen im Apple Restaurant (das ich von nun an zu meinen Favoriten bezüglich Essen und Trinken einreihen werde), kehre ich also in ein Zimmer zurück, das sich im Verlauf des Tages so richtig aufgeheizt hat und mir nun eine Ventilator-lose Nacht mit geschätzten 35 Grad bieten wird.
Es ist von grossem Vorteil, wenn man im letzten Leben ein Rikschafahrer in Kerala war und grosse Hitze als normal empfindet. Und so schlafe ich erstaunlich gut, werde kurz aufgeweckt, als sich um Mitternacht der Ventilator ächzend und knatternd in Bewegung setzt und die heisse Luft durcheinander wirbelt. Mehr ist nicht zu erwarten …
PS Song zum Thema: The Dead South – In Hell I’ll be in good Company
Und hier geht die Reise weiter …