Das Ende der Fellowship of the Hippies

Erste Abschiede sind zu beklagen. Die beiden orangen VW-Busse, sprich Ueli/Silvia und Roli/Dora, verabschieden sich endgültig von uns, unser Fellowship of the Hippies bricht nun endgültig auseinander. Seit Teheran sind wir fast die gesamte Strecke im Konvoi gefahren, wir haben viel zusammen erlebt und erduldet, aber jetzt heisst es Abschiednehmen.

Sie fahren zuerst zurück nach Delhi, anschliessend machen sie sich via Sri Lanka und Thailand auf die weiteren Abschnitte ihrer grossen Reise, die sie bis nach Australien bringen soll (wie bereits erwähnt – deswegen die rechtsgesteuerten Spezialbusse). Wir wünschen ihnen viel Glück!

Und da sich Ruedi und Beatrice in Richtung Everest Basecamp in Bewegung setzen, bleiben nur noch wir beide zurück, und ja, manchmal überkommt uns eine gehörige Portion Langeweile.

Das muss sich schleunigst ändern – Kathmandu hat noch einiges zu bieten!

Pashupatinath – die letzte Adresse

Pashupatinath ist eine der wichtigsten hinduistischen Tempelstätten in Nepal und liegt gut 4 Kilometer ausserhalb Kathmandus am Ufer des heiligen Bagmati-Flusses. Der Tempel ist Shiva gewidmet und wird oft als das „Herz des Hinduismus“ bezeichnet. Hier finden regelmäßig Zeremonien und Rituale statt, darunter auch die Leichenverbrennungen, die für viele Gläubige von großer Bedeutung sind.

Der Tempelkomplex umfasst verschiedene Gebäude, Schreine und Ghats (Badeplätze) entlang des Flusses. Besonders bekannt ist das jährliche Shivaratri-Fest, bei dem Tausende von Hindus aus der ganzen Welt nach Kathmandu kommen, um Shiva zu verehren.

Das Heiligtum wurde mit den anderen Sehenswürdigkeiten des Kathmandutals bereits im Jahr 1979 als Weltkulturerbe der UNESCO klassifiziert.

Natürlich fahren wir auf den Fahrrädern dahin, der Weg ist ruppig, auch für uns gestählte Velofahrer auf den mehr als schwachbrüstigen Rädern eine Herausforderung. Aber es lohnt sich, denn Pashupatinath hat tatsächlich viel zu bieten.

Die Heiligen und die Toten

Wie überall an diesen sakralen Orten finden sich die seltsamsten Figuren ein. Sadhus, heilige Männer mit langen Zöpfen, hängen entspannt an der Sonne, als gehe sie das Drumherum nichts an. Sie erwarten einen Obolus, sonst geht der Blick zur Seite. Sie tun eigentlich nichts, sie sind einfach da.

Wie so vieles übertrifft es unsere Weltanschauung. Offenbar ist unsere Auffassung von vielen Dingen auch nach so vielen Monaten immer noch meilenweit vom asiatischen Denken entfernt.

Und so setzen wir uns halt auf die Stufen zu den Ghats, verlieren uns bei der Beobachtung des alltäglichen Chaos, das einer bestimmten Logik folgt, die aber nicht auf Anhieb verstanden werden kann. Das hektische Durcheinander hat einen Zweck. Besuch der heiligen Stätten. Ehrerbietung den Göttern.

Und natürlich werden wie in Varanasi die Toten verbrannt und ihre Asche in den Fluss gestreut. Den Vorgang der Verbrennung haben wir in Varanasi zur Genüge kennengelernt, also halten wir uns in gebührendem Abstand. Der genaue Ablauf ist offenbar wie folgt:

Die meist in gelbe Tücher gehüllte Leiche wird zu den Verbrennungsstätten getragen, wo ein Scheiterhaufen errichtet wird. Vor der Verbrennung bespritzt man die Leiche mit dem Wasser des heiligen Flusses oder wäscht die Füße im Wasser. Die Leiche wird dann von oben mit feuchtem Stroh bedeckt.

Wenn die Familie es sich leisten kann, verwendet man zur Verbrennung neben normalem Holz zusätzlich das kostbare, duftende Sandelholz. Der älteste Sohn umschreitet dann den Scheiterhaufen fünfmal im Uhrzeigersinn entsprechend der heiligen Zahl fünf, die im Hinduismus die fünf Elemente Erde, Wasser, Feuer, Wind und Akasha, den Äther, repräsentiert. Danach zündet er mit einem in flüssiger Butter getränkten Strohbüschel den Scheiterhaufen in der Nähe des Kopfes an.

Die Familie und Freunde des Toten bleiben während der Verbrennung der Leiche in der Nähe, während ein Mann in weißem Gewand mit einem Stock den Scheiterhaufen immer wieder so richtet, dass alles verbrennt. Die Füße des Toten stehen zunächst etwas über den Scheiterhaufen hinaus und werden dann bei fortschreitender Verbrennung in das Feuer geschoben. Nach etwa vier Stunden ist die Leiche zu Asche verbrannt. Die Asche und unvollständig verbrannte Scheite werden in den Fluss geschoben.

Man will es nicht wissen, und trotzdem ist die Faszination, dieser komische Voyeurismus, jederzeit da.

Und ja, viele jahre später stehe ich einmal mehr an dieser Stelle. Es hat sich nichts geändert. Die Luft ist immer noch geschwängert mit dem süsslichen Geruch der verbrannten Leichen, gemischt mit den Düften der Kloake namens Bagmali.

Bodnath

Und noch ein Highlight – Bodnath, ein zweitausend Jahre alter Stupa, ebenfalls etwas ausserhalb von Kathmandus Zentrum gelegen. Im Unterschied zu Pashupatinath, dem Herz der Hindus, stellt der Bodnath-Stupa seit Jahrhunderten eines der bedeutendsten Ziele buddhistischer Pilger aus Nepal und den umliegenden Regionen des Himalaya dar.

Interessant ist, dass sich seit dem Jahr 1959 in der unmittelbaren Umgebung des Stupa zahlreiche geflohene Tibeter angesiedelt haben (viele der geflüchteten Tibeter flohen Ende der 50-Jahre in die Schweiz, wo sich heute noch eine der grössten tibetischen Diasporas Europas befindet). Der Cini-Lama, der dritthöchste Würdenträger der Tibeter nach dem Dalai Lama und dem Panchen Lama, residiert in Bodnath.

Der Stupa ist schlichtweg grossartig. Wieder einmal wird einem bewusst, wie überragend die architektonischen Fähigkeiten der damaligen Baumeister gewesen sein mussten. Der Weg, der rings um den Stupa führt, ist lang, gesäumt von zahlreichen Läden und Restaurants und Tempel, und man findet schnell einen ruhigen Platz, um das Geschehen zu beobachten.

Und einmal mehr werde ich viele Jahrzehnte später wieder vor dem Gesicht des Buddha stehen, der mir mit derselben entrückten Gelassenheit einen Blick in die Unendlichkeit gestattet.

Der Traum von Goa

Träume sind bekanntlich Schäume, nicht immer, aber manchmal eben doch. So ist das mit unseren Träumen von Goa, dem berühmten Hippie Paradies, wo heisser Sand und blaues Meer und kühle Drinks locken.

Goa, da wollen wir hin.

Aber da stellen sich ein paar Fragen. Zum Beispiel: Können wir mit unserem nicht gerade zuverlässigen Vehikel (das garantiert noch ein paar unliebsame Überraschungen bereithält) ein paar tausen Kilometer weiter fahren als geplant? Von Delhi bis Goa und retour sind es knapp 4000 km, das ist fast die Hälfte der gesamten bisherigen Strecke.

Keine gute Idee.

Aber es gibt eine Lösung: wir werden den Wagen irgendwo stehen lassen und mit dem Zug in den Süden reisen. Keine grosse Sache, würde man meinen, aber eben, irgendwann übernimmt die Realität das Szepter, und aus den schönen Träumen wird – nichts.

Am Strand von Goa

Die Realität bedeutet unter anderem – wo bringen wir den Wagen unter und zwar auf eine Weise, dass wir ihn nach unserem Ausflug unbeschadet wiederfinden? Wo lassen wir das Gepäck? Im Wagen? Wie lange dauert die Reise nach Goa mit den ÖV? Mit dem Zug wären wir gut zwei Tage unterwegs und zwar ohne Aufenthalt. Upps!

Fragen über Fragen, die uns sorglose Hippies irgendwann zur Überzeugung bringen, dass wir dieses Ziel auf ein anderes Mal verschieben müssen. Wir weinen also unseren Träumen noch ein, zwei Tränen nach und vergessen die Geschichte. Der Heimweg, der kurz vor der Tür steht, wird zwar kein blaues Meer oder heissen Strand bieten, aber vielleicht doch gelegentlich einen kühlen Drink.

Der Abschied naht

Vielleicht ein Omen, dass es an der Zeit ist, die Zelte abzubrechen und uns – ob der Gedanke uns gefällt oder nicht – auf den Heimweg zu machen. Denn an einem frühen Morgen eine böse Überraschung – Tisch und Stühle sind verschwunden, gestohlen, einfach weg. Also fertig mit den gemütlichen Morgenritualen mit Kaffee und Brot und allerlei, während die Morgensonne unsere müden Knochen wärmt.

Wir fühlen uns schon beinahe etwas einsam, denn auch der Appenzeller Kari ist abgereist, auch das deutsche Ehepaar. In ein paar Tagen werden wir unser liebgewonnenes Kathmandu verlassen, allerdings mit dem festen Vorsatz, irgendeinmal wiederzukommen (was dann auch 1990 und 2019 eintraf).

Allerdings hat es Monika bös erwischt – Husten, Schnupfen, Fieber, die Anzeichen einer klassischen Erkältung. Auch kein Wunder in dieser verpesteten Luft, wo triefende Nasen zum Stadtbild gehören.

 

Song von 1975:  Pink Floyd – Wish you were here

Und hier geht der Aufenthalt in Kathmandu endgültig dem Ende entgegen …

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